Gerti Daub Hollmann

Meine Miss Germany Geschichte


Im Mai 1957 wurde ich zur Miss Hamburg gewählt, eigentlich unfreiwillig.

Bei der Real-Film, (heute Studio Hamburg) hatte ich eine Statistenrolle in der "Felix Krull"-Verfilmung mit Horst Buchholz.  Mein Vater, Heinrich B. Daub, lieferte damals die Badezimmer-einrichtungen für alle Produktionen in den Studios. Beiläufig fragte ihn die Produktionsleitung, ob er nicht gut aussehende Mädchen kenne. Lässig antwortete er: "Kein Problem, ich habe gleich Drei, nämlich meine Töchter." Da ich das richtige Alter hatte - 20 Jahre - bekam ich diesen Job!

 

Eines Tages nach Drehschluss herrschte merkwürdige Unruhe in der Garderobe, zwei Mädchen schminkten sich nicht ab, waren hektisch nervös. Sie wollten zur Vorwahl der Miss Hamburg ins Curio-Haus, ich beschloss aus Neugier mitzugehen. Dort angekommen überredeten mich die Fotografen, die mich als Fotomodell schon kannten - Titelbilder und Werbung - ebenfalls auf den Laufsteg zu gehen ... "nur zugucken gibt's nicht." Glück muss man haben, ich kam in die Auswahl.

Meine Eltern erfuhren erst durch die Presse von meiner Teilnahme. Da mein Vater mich sehr streng erzogen hatte, hatte ich Angst, dass er böse werden würde. Doch Tante Ida, unser Familienoberhaupt, konnte ihn umstimmen.

Am Wahlabend versuchte der scharfzüngige Conferencier von Seydlitz sich auf Kosten der Kandidatinnen zu profilieren. So fragte er mich u. a. was man denn so als Diplom-Kosmetikerin mache? Ich bot Paroli: "Alte Männer wieder jung machen!" Sein betretenes Gesicht sprach Bände... das Publikum jubelte. Mein verbaler Schlagabtausch hielt an und so - glaube ich - gewann ich den Titel der Miss Hamburg.

Am 22. Juni 1957 wurde ich im Kurhaus in Baden-Baden zur Miss Germany gewählt.

 

Mit der Startnummer "13", die mich bis heute, als meine Glückszahl durchs Leben begleitet.

 

1957 wurde die Miss Germany noch vom Publikum und der Jury im Saal gewählt. Ich bekam 316 Stimmen vom Publikum - das waren 116 Stimmen mehr als die zweite Siegerin. Dazu kamen die Stimmen der Jury.  Meine Maße waren:  88 - 54 - 92


Die Presse schrieb "Grace Kelly wurde Miss Germany", dies wegen meiner Ähnlichkeit. Eine andere Zeitung titelte "Ein Kühlschrank wurde Miss Germany" - alle Honoratioren wollten mich unbedingt auf dem Mund küssen, ich mochte das nicht. Ich küsse ja nicht Jeden! Ein Jahr später traf ich diesen Journalisten wieder und er fragte mich, ob ich mich darüber geärgert habe. "Nein es ist nur ein Plus für mich", antwortete ich. Dann ging es Schlag auf Schlag: Ein Wochenende später wurde ich auf dem Festival de l'Elégance et de la Beauté ebenfalls in Baden-Baden "Miss Photogenic Europe" - die fotogenste Frau Europas - sowie 3. Siegerin der Miss Europa Wahl 1957.

Juli 1957

Wahl der Miss Universe in Long Beach, California/USA

 

Am 21. Juli 1957 erreichte ich in Long Beach, Kalifornien unter 86 Bewerberinnen den fünften Platz bei der Miss Universe Wahl. Ein unerwarteter Erfolg, der mich sehr stolz und glücklich machte.

Ich hatte mehr erreicht, als ich je zu träumen gewagt hatte.

Und trotzdem löste dieser fünfte Platz einen handfesten Skandal aus. "Boo the judges" titelten die amerikanischen Zeitungen am nächsten Tag. Denn Publikum und Presse hatte mich einstimmig auf Platz 1 gesehen. Dazu kam, dass Miss Peru ein Jahr zu jung war, erst 17, aber drei südamerikanische Richter setzten sich durch. So kamen auch drei Südamerikanerinnen auf die ersten Plätze.  Das hatte ein ohrenbetäubendes Pfeifen, Schimpfen und Buhrufen zur Folge. Darüber war ich sehr erschrocken, da ich als fünftplazierte als Erste auf die Bühne musste und dachte es würde mir gelten. Das Gegenteil war der Fall.  Das Publikum im Saal war entsetzt, dass nicht ich Miss Universe geworden bin.


Amerikas Klatschtante Nr. 1 Elsa Maxwell kam auf die Bühne, umarmte und tröstete mich: "Dein Titel »Miss Photogenic 1957 of the Universe« ist für dich viel größer und wertvoller, da du bereits vor diesem Missklang auf dem Siegerpodest als fotogenste Frau des Universums gestanden hast!"

 

"Schiebung" war die Meinung in allen Medien. Wie stets im Leben hatte alles seine zwei Seiten: Als Miss Universe hätte ich für ein Jahr in Amerika bleiben müssen, nun war ich frei für die Welt und das Aufregendste stand mir noch bevor:

Wenige Tage später rief mich der Boss von MGM Metro-Goldwyn-Mayer zu sich, bot mir einen Siebenjahresvertrag

zu je 250.000 Dollar an.

 

Maria Schell, Curd Jürgens, Yul Brunner und Sammy Davis jr. redeten mir gut zu, die Chance als neue Grace Kelly aufgebaut zu werden, nicht auszuschlagen! MGMs Agenten verfolgten mich mehrmals hartnäckig bis nach Hamburg, um mich zu überreden.

 

Mein Entschluss stand aber schnell fest: "Ich bin keine Kopie, ich glaube auch keine gute Schauspielerin zu sein. Wie viele Missen haben es beim Film versucht und sind gescheitert. Ich weiß was ich habe, meinen Kosmetiksalon in Hamburg, da gehöre ich hin!" Der Boss von MGM war entsetzt, dass ich ablehnte - so was sei ihm in seinem ganzen Leben noch nie passiert, "die meisten würden auf den Knien hierher rutschen um einen Filmvertrag zu bekommen."

Nie hätte ich geahnt, dass Miss Germany-Sein harte Arbeit bedeutet: Fast 12 Monate war ich im In-und Ausland unterwegs. Das hieß als Repräsentantin für Opal und Sponsoren von morgens bis abends Werbung zu machen. Tagsüber Autogrammstunden und Verkaufsveranstaltungen, verbunden mit abendlichen VIP-Einladungen. Weiterfahrt in den nächsten Ort, nur wenige Stunden Schlaf. Jeder Tag begann um 8.3o Uhr mit einer Pressekonferenz, anschließend Präsenz, stets unter dem Motto "Immer nur lächeln." Manchmal war ich wie ausgelaugt.... Finanziell war die Zeit 1957/58 für mich ein Verlustgeschäft. Mein Salon fuhr nur mit halber Kraft, mein Vater gab mir 20.000 DM Kredit (1957 !!!), denn die Spesen von Opal waren erbärmlich, Tagessatz/Spesen 12 DM, Übernachtungspauschale  21 DM. Die Hoteliers machten jedoch oft Hollywoodpreise, nachdem Opal für mich gebucht hatte. Diese hohen Mehrkosten wurden mir per Monatsende vom Gehalt  Brutto  800 DM abgezogen. Von meinen Extrakosten, wie Trinkgeldern, Kleidung, Reinigung, Frisör etc., etc. gar nicht zu reden. Die finanzielle Hilfe meines Vaters hielt mich über Wasser.

Andererseits:

 

Es war die Zeit des Aufbruchs in Deutschland und ich war dabei! Als "Botschafterin der Schönheit" flog ich Januar 1958 bei minus 20 Grad im Auftrag von Bundeskanzler Dr. Konrad Adenauer und Hamburgs Ersten Bürgermeister Max Brauer auf dem Lufthansa-Eröffnungsflug mit der legendären Super Constellation nach Süd-Amerika, Ankunftstemperatur plus 40.  Ich blieb einen Monat in Brasilien, besuchte viele deutsche Kolonien und überbrachte Grußbotschaften und Geschenke. Es war der 1. offizielle Besuch nach dem Krieg. Ich geriet in einen Taumel der Freude, Präsident Kubitschek, die Landesgouverneure, Bürgermeister aber auch die Gauchos in Rio Grande do Sul, gaben rauschende Feste. Das brasilianische Fernsehen berichtete täglich, in einer eigenen Serie gab ich unter anderem Tipps zur Hautpflege unter tropischer Sonne. Für all diese Engagements erhielt ich als "Beste der Woche" den Fernsehpreis in Porto Alegre. Max Schmeling, der mit mir unten war, hatte ihn eine Woche vorher bekommen.

Alle Feiern - es war Karnevalszeit - begannen wegen der Hitze erst nach Mitternacht. Das hieß für mich als offizieller Gast durchhalten, bis ich mich wegstehlen konnte, Minischlaf, Kofferpacken, Haare waschen, Tip-Top wieder aussehen, 7 Uhr der erste Flieger, Flugzeit mehrere Stunden.... und dann "the same procedure  as every day....". Kein Wunder, dass ich irgendwann zusammenklappte.
 
Die höchste Ehre war für mich, dass ich als einzige Miss Germany vom Papst in einer Privataudienz empfangen wurde. Anlass war der Lufthansa-Eröffnungsflug nach Italien/Rom - Neapel. Unsere Delegation, die von Bundesverkehrsminister Seebohm geleitet wurde, war von Papst Pius XII eingeladen.

Im Rückblick auf meine Zeit war die Wahl früher ein gesellschaftliches Ereignis! Gäste kamen im Frack, Smoking, Cocktail- oder Abendkleid ins Kurhaus Baden-Baden. Vor einigen Jahren war ich ein paar Mal Jury-Mitglied bei Misswahlen. Das hat mir nicht gefallen. In Diskotheken wurde gewählt, es war zu laut, zu voll und verraucht, es war vom Ambiente einfach billig.

Ich bin stolz darauf im Haus der Geschichte in Bonn und Leipzig in der Ausstellung "Miss Germany eine schöne Geschichte" mit vielen Artefakten dabei zu sein. Eine große Anzahl davon habe ich dem Haus der Geschichte in Bonn vermacht.

Das größte Glück meiner Miss-Germany-Zeit ist, dass ich meinen Mann Carlheinz Hollmann, bei einem Interview nach meiner Rückkehr aus Süd-Amerika in der "Aktuellen Schaubude" am 15. Februar 1958 kennen und lieben gelernt habe.

Mein geliebter Mann ist am 4. Mai 2004 im Alter von 73 Jahren viel zu früh gestorben.

www.carlheinzhollmann.de

©  Courtesy of Andreas Laible